Was ist Multi-Channel-Vertrieb? Vor- und Nachteile neuer Vertriebswege
Aufgrund der Digitalisierung und der rasanten Verbreitung von Smartphones erwartet der heutige Konsument überall und zu jeder Zeit in der Lage zu sein, in den Kaufprozess einzusteigen. Dieser Anforderung tragen immer mehr Unternehmen mit einer sogenannten Multi-Channel-Strategie Rechnung.
Was genau man unter Multi-Channel-Vertrieb versteht und welche Vor- und Nachteile sich hieraus für Händler ergeben können, möchten wir daher im heutigen Blog-Post genauer beleuchten.
Bedeutung und Begriffsabgrenzung von Multi-Channel-Vertrieb
Multi-Channel-Vertrieb ist der Verkauf der eigenen Produkte und Dienstleistungen über mehr als einen Absatzkanal. Hierbei kann entweder auf allen Kanälen das gleiche Sortiment angeboten werden oder die Produktpalette an den jeweiligen Kanal angepasst werden. Ziel ist es unterschiedliche Kundensegmente je nach Kanalpräferenz zu erreichen und so den Absatz zu steigern. Wird über Multi-Channel-Vertrieb gesprochen, sind oft die Begriffe Cross-Channel oder Omni-Channel nicht weit. Letztere bauen beide auf dem Prinzip des Multi-Channel-Vertriebes auf, machen aber weitere Abstufungen bezüglich der Channel-Integration. Zum besseren Verständnis sind im Folgenden die Unterschiede kurz zusammengefasst:
- Im Multi-Channel-Vertrieb werden die verschiedenen Kanäle unabhängig voneinander betrieben. Der Kaufprozess beginnt und endet in ein und demselben Kanal. Das heißt, dass beispielsweise der Online-Shop und der physische Store nebeneinander existieren, aber keine Verknüpfung zwischen den beiden Kanälen besteht. Diese Art von „Silo-Denken“ gilt heute als überholt, weshalb das Konzept weiterentwickelt wurde.
- Spricht man von Cross-Channel, geht es nicht mehr um unabhängige, parallel bediente Vertriebskanäle, sondern um deren Verzahnung untereinander. Innerhalb seines Kaufprozesses kann der Kunde von einem in den anderen Kanal wechseln. Beispielsweise wird im Web-Shop bestellt und die Ware im Ladengeschäft abgeholt. Von Unternehmen fordert das eine sinnvolle Integration aller Channel über ein zentrales Datenmanagement-System. Dieselben Produkt-, Kunden- und Prozessdaten müssen über alle Kanäle hinweg zur Verfügung stehen. Das Unternehmen tritt kanalübergreifend konsistent auf und auch der Kundenservice wird über alle Vertriebswege synchronisiert.
- Omni-Channel wird teilweise synonym zum Cross-Channel, teilweise aber als eine noch feinere Abstufung verstanden. Nach letzterer Sichtweise bedeutet Omni-Channel-Vertrieb eine noch stärkere Verknüpfung aller Kanäle: Die Kanäle werden nicht nur gewechselt, sondern auch simultan genutzt, beispielsweise durch die Informationssuche über eine Unternehmens-App direkt im Ladengeschäft. Der Omni-Channel-Vertrieb fordert genau wie der Cross-Channel eine technische und organisatorische Integration aller Kanäle
Was sind die wichtigsten Vertriebskanäle bei einer Multi-Channel-Strategie?
Unternehmen stehen on- wie offline eine Vielzahl an verschiedenen Absatzkanälen zur Verfügung. Nicht jeder Vertriebsweg ist dabei für jeden Kunden und für jedes Produkt gleich gut geeignet. Je nach Branche und Zielgruppe ergeben sich Kanäle, die besonders sinnvoll für ein Unternehmen sind. Als wichtigste Optionen in heutigen Multi-Channel-Strategien lassen sich besonders die folgenden 5 Absatzkanäle hervorheben:
1. Online-Shop
Die häufigste Form der Channel-Erweiterung ist die Ergänzung der stationären Geschäfte um einen Online-Shop. Der Online-Handel boomt und verzeichnet ein deutlich höheres Wachstum als der stationäre Einzelhandel. Eine Präsenz im Internet ist für viele Händler daher essenziell, um konkurrenzfähig zu bleiben. Besonders lohnend, gemessen am Umsatzanteil, ist ein Web-Shop für Händler aus den Branchen Fashion & Accessoires (25,1%), elektronische Produkte (24,8%), Freizeit & Hobby (14,5%) sowie Wohnen & Einrichten (9,2%).
2. Mobile Commerce
Ein großer Treiber der Bedeutung von Multi-Channeling ist die Verbreitung von Tablets und Smartphones und der damit einhergehende Aufschwung des Mobile Commerce. 2018 wurden bereits 48% der E-Commerce Transaktionen in Deutschland über mobile Endgeräte getätigt. [1] Mit mobil-optimierter Websiten oder Unternehmens-Apps ermöglichen es Händler ihren Kunden auch von unterwegs einzukaufen und Informationen zu sammeln. Dies erfüllt besonders die Bedürfnisse der jungen, technik-affinen Zielgruppen. Betrachtet man im Online-Segment nur die Einkäufe über Tablet oder Smartphone sind Mode, Bücher und Reisen bei mobilen Shoppern besonders beliebt. [2]
3. Online-Marktplätze
Online-Marktplätze wie Amazon Marketplace oder eBay bieten durch ihre Markenbekanntheit und ihr vielfältiges Produktangebot eine enorme Reichweite für externe Händler. Für viele Unternehmen sind diese Plattformen daher eine beliebte Erweiterung ihres Vertriebskanal-Mixes. Allein auf Amazon Marketplace werden 25 % des gesamten Onlineumsatzes in Deutschland erwirtschaftet.[3] Aber auch Nischen-Plattformen wie Etsy, ein Marktplatz für Handgemachtes und Künstlerbedarf, bieten gerade kleineren Händlern einen schnellen Einstieg in den Online Markt, der mit weniger Aufwand verbunden ist als der Aufbau eines eigenen Online-Shops.
4. Social Media
Die Popularität von Social-Media eröffnet ebenfalls neue Absatzkanäle für Unternehmen. Beispielsweise können Konsumenten auf Facebook und Instagram durch die Einführung des Buy-Buttons direkt über Posts und Anzeigen Produkte kaufen. Auf Pinterest, einer digitalen Pinnwand, die häufig als eine Art Online-Wunschliste dient, lassen sich Pins mit Produktpreisen und -verfügbarkeit versehen und direkt in den eigenen Shop verlinken. Ebenso gewinnen Chat-Bots an Popularität, die Empfehlungen und Produkt-Links in Messengern verschicken. Wenn auch immer noch vordergründig ein Kommunikations-Tool, werden die Sozialen Medien so auch als Vertriebskanal immer relevanter.
5. Stationärer Handel
Im Gegensatz zum E-Commerce machen im stationären Handel die Fast Moving Consumer Goods[4] mit 42,5% den Löwenanteil aus. Erst mit deutlichem Abstand folgen auf Platz 2 und 3 Elektroartikel (8,1%) und Fashion & Accessoires (7,7%).[5]
Allgemein bleibt der stationäre Handel trotz ungebrochenem Wachstum des Online-Handels ein entscheidender Absatzkanal: Knapp 60% der Konsumenten präferieren noch immer den Einkauf im klassischen Einzelhandel.[6] Daher erweitern auch Online-Pure Player ihr anfangs nur im Web verfügbares Leistungsangebot um physische Läden. Populärstes Beispiel ist hier Amazon Go, der kassenlose Supermarkt des Handelsriesen Amazon. Häufig liegt der Fokus bei der stationären Erweiterung eines digitalen Angebots allerdings weniger auf einer Absatzerhöhung, sondern auf der Steigerung der Markenbekanntheit. Hier dienen Flagship-Stores im Sinne eines Aushängeschildes für Unternehmenswerte und -image als Instrument zur Markenbildung.
Hinweis: Das AUSGEZEICHNET.ORG Siegel unterstützt das Sammeln von Bewertungen auf all Ihren Kanälen. Das Bewertungssiegel ist dank responsivem Design für mobile Websites angepasst, soziale Medien und Online-Marktplätze lassen sich über die All-In-One Funktion einbinden und für stationäre Standorte steht Ihnen ein Bewertungscode zur Verfügung.
Vorteile von Multi-Channel-Vertrieb
Klarer Vorteil einer Präsenz über mehrere Kanäle ist die Erhöhung der Marktabdeckung, da neue Zielgruppen erschlossen werden. Jeder neue Kanal schafft Kontaktpunkte zu unterschiedlichen Kundensegmenten. Vor allem der E-Commerce, mit 1.918 Mio. Nutzern weltweit, 51 Mio. davon in Deutschland[7], bietet Absatzpotentiale, auf die es sich kaum ein Händler leisten kann zu verzichten.
Gleichzeitig steigert eine Multikanal-Strategie die Zufriedenheit und Bindung von Bestandskunden. Kunden wird eine Auswahl an Kanälen zur Verfügung gestellt, die sie je nach Vorlieben wählen können – das erfüllt die Erwartung eines möglichst flexiblen und bequemen Einkaufserlebnisses der Kunden und es kommt nicht zu einer Abwanderung zur Konkurrenz, aufgrund unerfüllter Kanalpräferenzen.
Ein weiterer Vorteil ist die Steigerung der Markenbekanntheit durch verschiedene Kanäle. Wird konsequent über alle Kanäle hinweg ein einheitliches Markenbild gepflegt, steigt die Brand-Awareness des Unternehmens.
Intern profitieren Unternehmen zudem von Synergieeffekten zwischen den verschiedenen Kanälen. So können beispielsweise Kosten für Warenlagerung oder Werbekampagnen auf die verschiedenen Kanäle verteilt werden. Auch das Risiko von Absatzeinbrüchen lässt sich durch multiple Vertriebskanäle streuen. Geht beispielsweise der stationäre Verkauf zurück, kann dies durch den Online-Shop aufgefangen werden.
Nicht zuletzt stehen Händlern durch neue Vertriebswege eine größere Menge an Kundendaten zur Verfügung. Mit den richtigen Analyse-Tools können so Bedürfnisse, Merkmale und Verhaltensweisen der Zielgruppe noch besser erfasst und ausgewertet werden.
Nachteile von Multi-Channel-Vertrieb
Als Nachteil einer Erweiterung der Absatzkanäle werden häufig Kannibalisierungseffekte aufgrund der Konkurrenz der verschiedenen Kanäle genannt. Die Befürchtung ist, dass die Absätze durch zusätzliche Kanäle nicht steigen, sondern sich lediglich von einen in den anderen Kanal verlagern. Das solche Bedenken nicht ganz unbegründet sind, zeigt der HDE Online-Monitor: In fast allen Branchen geht ein Zuwachs an Online-Absätzen mit einem Verlust im Offline-Geschäft einher. [8] Allerdings sollten hier keine vorschnellen Schlüsse gezogen werden: Die Online-Gewinne übersteigen die stationären Verluste in jeder Branche deutlich.
Der zentrale Nachteil von Multi-Channel-Strategien ist für die meisten Unternehmen der Kostenpunkt, den der richtige Aufbau und die Pflege von multiplen Kanälen mit sich bringen. Mehr Absatzwege bedeuten gleichzeitig eine komplexere Planung, Steuerung und Logistik. Das macht eine technische Infrastruktur, die alle Kanäle integriert, unabdingbar. Nur durch ein zentrales Management aller Vertriebskanäle lassen sich Doppelverkäufe verhindern und ein reibungsloses Einkaufserlebnis garantieren. Der Aufwand für die Strategieentwicklung und Optimierung der internen Strukturen ist oftmals die größte Hürde für Händler einen Multi-Channel Ansatz zu verfolgen.
Fazit
Der Vertrieb über mehrere Absatzkanäle gleichzeitig ist die Antwort auf aktuelle Erwartungen der Konsumenten an Einzelhändler. Der Wechsel eines Kanals ist für Kunden so einfach wie nie zu vor: Wird der präferierte Kanal eines Kunden nicht angeboten, kann er ohne viel Aufwand zur Konkurrenz wechseln. Um langfristig im Wettbewerb zu bestehen, geht es daher für die meisten Händler weniger um die Frage ob, sondern wie eine erfolgreiche Multi-Channel-Strategie aufgebaut werden kann. Hierbei wird die konsistente Verknüpfung aller einzelnen Kanäle über eine bruchfreie technische Integration immer wichtiger. Für Händler, denen die Mittel für ein umfangreiches Multi-Channel Konzept noch fehlen, gilt, dass zumindest ein Online-Kanal zur Verfügung stehen sollte. Der Anfang kann hier bereits mit einer Listung auf Amazon oder eBay gemacht werden.
[1] Lebensmittel, Getränke, Tabakwaren und Drogerieartikel
[2] https://www.einzelhandel.de/index.php?option=com_attachments&task=download&id=9449
[3] Statista: Kaufpräferenz Onlinehandel vs. Einzelhandel in Deutschland bis 2016
[4] Statista: Mobile-Commerce-Anteil an den Transaktionen im Online-Handel weltweit 2018
[5] Statista: Anteil der Online-Käufe über mobile Endgeräte nach Branchen in Deutschland 2018
[6] https://www.einzelhandel.de/index.php?option=com_attachments&task=download&id=9449
[7] Statista: Prognose der E-Commerce-Nutzer in Deutschland bis 2024 (2020)
[8] https://www.einzelhandel.de/index.php?option=com_attachments&task=download&id=9449