Choice Overload – Kann zu viel Auswahl zu Kaufabbrüchen führen?
Kunden, die eine große Auswahl an Produkten und Produktvarianten zur Verfügung haben, werden eher fündig. Zumindest wenn man sich an einigen ökonomischen Überlegungen sowie Annahmen des Konsumentenverhaltens orientiert, scheint diese Aussage sinnvoll zu sein. Dem Choice-Overload-Effekt zufolge kann eine erhöhte Auswahl jedoch auch zu Überforderung bei den Kunden führen und somit Kaufabbrüche, gesunkene Zufriedenheit und Händlerwechsel mit sich bringen. Welche Vor- und Nachteile ein großes Sortiment bringt und wie Sie Ihren Kunden die Wahl vereinfachen, thematisieren wir daher in dem dieswöchigen Beitrag.
Vorteile von mehr Auswahl
Gemäß einiger betriebswirtschaftlicher Überlegungen sowie Annahmen im Kundenverhalten, scheint eine größere Auswahl an Produkten zunächst nur Vorteile zu bringen. Indem Unternehmen ein breiteres Produktportfolio zur Verfügung stellen, können sie ein breiteres Publikum an Kunden ansprechen. Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen werden nun im Sortiment fündig und können entsprechend der Nutzenmaximierung ein passendes Produkt finden. Zusätzlich kann es sich zu einem echten Differenzierungsmerkmal herausstellen, viele Varianten eines Produktes im Sortiment zu haben, die die Konkurrenz so vielleicht nicht anbietet.
Ein generell großes Sortiment wirkt außerdem äußerst attraktiv auf den Kunden und suggeriert einen geringeren Aufwand beim Einkauf. Können verschiedene Produkte bei einem Anbieter erworben werden, so muss der Kunde keine mehrfachen Einkäufe tätigen, sondern kann alles bequem in einem Shop ordern.
Und selbst wenn sich die Bedürfnisse der Kunden in der Zukunft ändern oder sie einfach verschiedene Produktvarianten ausprobieren möchten, können sie weiterhin bei dem gleichen Anbieter bleiben.
Nachteile von mehr Auswahl: Choice Overload
Einigen Studien zufolge kann ein großes Sortiment mit einer hohen Vielfalt an verschiedenen Produktvarianten jedoch durchaus auch negative Folgen haben. Wesentliche Erkenntnisse wurden hier durch Iyengar und Lepper im Jahre 2000 beigetragen. In einem Experiment wurde in einem Supermarkt ein Verkostungsstand mit einmal sechs verschiedenen Marmeladen und einmal 24 verschiedenen Marmeladen errichtet. Nachdem Passanten die Marmeladen probierten, erhielten sie einen Coupon, mit dem sie später beim Kauf einer Marmelade sparen konnten. Hierbei wurden interessante Beobachtungen gemacht: Stand zunächst eine größere Auswahl an Marmeladen bereit, wirkte dies attraktiver auf die Passanten und 60% blieben stehen (im Vergleich zu 40% bei der geringeren Auswahl). Ging es jedoch um anschließende Käufe, kehrte sich diese Beobachtung um. Bei den 24 Marmeladen kauften dann nur etwa 3% anschließend eine Marmelade, während bei der kleineren Auswahl fast 30% eine Kaufentscheidung trafen.
In einigen weiteren Studien mit vielen unterschiedlichen Produkten wie etwa Schokolade, Stiften, MP3-Playern und vielem weiterem, wurde der sogenannte Choice-Overload-Effekt weiter erforscht. So konnte festgestellt werden, dass eine „zu große“ Auswahl unter anderem dazu führen kann, dass die Wahl aufgeschoben und somit kein Kauf getätigt wird. Außerdem neigen Kunden dazu, unzufriedener mit dem gewählten Produkt zu sein, wenn sie die Wahl aus einem großen Sortiment getroffen haben. In diesem Fall äußern sie auch eher Zweifel über die getroffene Wahl oder bereuen diese. Als Folge dessen kann in Zukunft der Händler gewechselt werden. Ab wann die Auswahl tatsächlich als zu viel angesehen werden kann, ist dabei unklar und vermutlich bei jedem Produkt leicht unterschiedlich.
Im Rahmen der Studien wurde dabei jedoch auch festgestellt, dass ein größeres Sortiment zunächst attraktiver auf Konsumenten wirkt und erst in der tatsächlichen Entscheidung zu einer Überforderung führen kann.
So können Sie eine Überforderung der Kunden verhindern
Es gibt jedoch auch Möglichkeiten die Vorteile einer großen Auswahl für sich zu nutzen und die Nachteile möglichst zu reduzieren. In vielen weiteren Studien der vergangenen Jahre wurden einige sogenannte Moderatorvariablen erforscht. Diese beeinflussen das Zustandekommen sowie die Ausprägung des Choice-Overload-Effekts. Achtet man also in der Gestaltung des Sortiments sowie der Präsentation der verschiedenen Produkte auf einige Punkte, kann eine erhöhte Auswahl durchaus wieder von Vorteil sein.
Sortiment evaluieren
Der erste Schritt sollte sein, das Sortiment zu überdenken. Es sollte nicht nur viel Auswahl angeboten werden, damit Kunden das Gefühl haben zwischen verschiedenen Möglichkeiten zu wählen. Vielmehr sollte jedes Produkt einen Mehrwert bringen und eine Daseinsberechtigung haben. Die einzelnen Varianten sollten sich tatsächlich voneinander unterscheiden, damit die unterschiedlichen Bedürfnisse der Konsumenten befriedigt werden können.
Informationen leicht verständlich machen
Eine große Auswahl kann vom Kunden deutlich einfacher evaluiert werden, wenn das Vergleichen einfach ist und die Informationen verständlich sind. Produkte sollten daher nicht mit zu vielen Informationen überladen werden, vor allem nicht auf den ersten Blick. Vielmehr sollten nur einige wichtige Primärattribute herausgestellt werden, die relevant für die Funktionen sind. So haben es Konsumenten einfacher, wenn sie verschiedene Alternativen vergleichen und bewerten. Bei weiterem Interesse kann der Kunde dann zusätzliche Informationen einsehen und in die Entscheidung einbeziehen.
Ordnung in das Sortiment bringen
Neben der generellen Reduktion von Informationen kann es auch helfen, Produkte mit deren Informationen so übersichtlich wie möglich darzustellen. Beispielsweise kann es bei verschiedenen Abo-Modellen sinnvoll sein, die Unterschiede in einer Tabelle deutlich zu machen. Jegliche Informationen müssen einfach zugänglich und übersichtlich präsentiert werden.
Hat man unterschiedliche Produkte im Sortiment, helfen auch klare Kategorien. So könnte ein Online-Shop, der Kleidung verkauft beispielsweise eine Kategorisierung in Oberbekleidung und anschließend Tops, T-Shirts, Langarmshirts usw. anbieten. Diese Kategorien helfen Konsumenten sich auf die gesuchten Produkte zu konzentrieren und unnötige Informationen auszublenden. Den Kunden wird somit Klarheit verschafft und der Fokus kann besser auf die Kaufentscheidung gerichtet werden.
Einzelne Produkte ins Rampenlicht rücken
Das Vergleichen sowie die Wahl eines Produktes können außerdem deutlich vereinfacht werden, wenn eine dominante Option vorhanden ist. Hierbei handelt es sich um eine Option, die sich deutlich von den anderen abhebt. Haben Kunden gewisse Vorlieben, kann dies bereits ohne das Einwirken der Händler passieren. Man kann den Kunden jedoch auch aktiv dabei helfen, eine Entscheidung zu vereinfachen und das optimale Produkt zu finden. Dazu kann zum Beispiel das beliebteste oder meistverkaufte Produkt herausgestellt werden. Auch können zum Beispiel die Lieblingsprodukte des Teams bzw. der Redaktion besonders in Szene gerückt werden und so den Kunden besser zu einer Entscheidung führen.
Fazit
Auch wenn noch nicht vollständig erforscht, bietet der Choice-Overload-Effekt wichtige Erkenntnisse, die zum Überdenken des angebotenen Sortiments führen sollten. Dabei sollte eine erhöhte Vielfalt an Produktvarianten jedoch nicht sofort als nur negativ gesehen werden. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass sowohl negative als auch positive Effekte entstehen und sich in der Gesamtheit der Umstände entscheidet, welcher Eindruck bei den Kunden bleibt. Jeder Händler hat somit durch Beachtung einiger Dinge die Möglichkeit, die negativen Auswirkungen zu reduzieren und sich mit verschiedenen Produktvarianten einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.